Es gibt keine unmotivierten Menschen
Die Motivation gehört zur Grundausstattung des Menschen wie seine Augen- oder Hautfarbe. Daher kann keine Führungskraft für die Motivation seiner Mitarbeiter verantwortlich sein. Für die Motivation sind die Menschen selbst verantwortlich.
Eine andere Frage ist, ob einem die Motivationsrichtung passt. Menschen können hochmotiviert Streiken, Widerstand leisten oder Dienst nach Vorschrift machen. Sie leisten in der Arbeit nur das Notwendigste und sind zu Mehrleistungen nur bereit, wenn es mehr Geld dafür gibt. Außerhalb der Arbeit fahren sie jedes Wochenende ehrenamtlich in Sportvereinen mit Kinden und Jugendlichen zu Tunieren oder sie bauen bis spät in die Nacht ihren Schrebergarten aus. Die Motivation scheint verschiedene inhaltliche Ausrichtungen annehmen zu können.
Eine grundlegende Annahme über Motivation ist, dass sie immer positiv ist. Das ist mitnichten der Fall. Die Forschung hat schon lange herausgefunden, dass Menschen durch eine erfolgreiche aggressive Handlung noch aggressiver werden können.
Was ist Motivation und was bedeutet sie für die Führung von Menschen? Diese Fragen sollen in diesem Blog behandelt werden.
Die menschliche Motivation hat eine lange Naturgeschichte. Sie ist der Teil einer noch längeren Naturgeschichte des Psychischen. Abbild 1 zeigt, das die Psyche zunächst zwei Grundfunktionen im Laufe ihrer Naturgeschichte artspezifisich entwicklelt hat:
Die Emotionalität und die Kognition. Mit diesen beiden Funktionen differenzierte sich die Grundform des Psychischen als Orientierungsfunktion für die Arten weiter aus. Daran gekoppelt waren artspezifisch festgelegte Verhaltensweisen. Die hatten den Vorteil des sicheren Verhaltens, aber sie waren gegenüber plötzlichen Veränderungen in der Umwelt zu starr.
Abbild 1: Grundfunktionen des Psychischen vor der Motivation
Im Laufe der Evolution entwickelten insbesondere Säugetiere eine immer flexible Form der Umweltaneignung, die autarke Lernfähigkeit. D.h. z.B. ein Jagdtier führt Suchfunktionen des Jagens flexibel aus. Da die Tiere kein Bewußtsein haben, muss die Natur hinter dem Rücken der Tiere sozusagen eine Motivation einbauen, die das Tier vorsorgend dazu motiviert, z.B. zu schnüffeln oder die notwendigen Bewegungsabläufe zu lernen. Menschen kennen und lieben es, wenn z.B. kleine Bären, Katzen und Hunde spielen. Sie spielen nicht, sie lernen hochnmotiviert die Bewegungsabläufe, die sie brauchen, um nachher erfolgreich zu jagen u.v.a.m. Und sie tun dies in ausdifferenzierten Sozialverbänden, die einen Schutzraum für das Spielverhalten in der Kind- und Jugendphase bilden. Motivation ist also zukunftsgerichtete Emotionalität entstanden durch die Entwicklung der offenen Umweltaneignung im Schutze ausdifferenzierter Sozialverbände.
Die Abbild 2 zeigt den Entwicklungsprozess der Motivation
Diese Entwicklung differenziert sich im Tier-Mensch-Übergangsfeld (TMÜ) immer weiter aus. Der Mensch wird zum Lern- und Entwicklungswesen, das hoch komplexe Sozialformationen wie Gesellschaften bildet. Damit einher geht, dass die menschliche Motivation sich weiterentwicklelt. Abbild 3 zeigt diesen Prozess.
Abbild 3: Einige Aspekte der Entwicklung im Tier-Mensch-Übergangsfeld
Im Laufe der Menschheitsgeschichte entsteht Subjektivität als individuelles Vermittlungsverhältnis des Psychischen zwischen Individium und Gesellschaft. Die menschlichen Bedürfnisse differenzieren sich kulturell und gesellschaftlich auf in sinnlich-vitale Bedürfnisse, wie Essen, Trinken, Schlafen, geistige und körperliche Unversehrtheit, sexuelle Bedürfnisse und Bedürfnisse wie Nutzen, Sicherheit, soziale Anerkennung sowie nach Annehmlichkeit. Sie sind immer kulturell und gesellschaftlich überformt bzw. bestimmbar.
Die Emotionalität hat nach wie vor eine erkenntnisleitende Funktion für die unmittelbare Bedürfniserfüllung. Sie hat einen Hinweis- (Ich bin durstig.) und einen Handlungscharakter (Trink was!). Die Bedürfnisse sind dort eine inhaltliche Ausrichtung für die Motivation, wo die Bedürfniserfüllung nicht unmittelbar im Hier und Jetzt möglich ist. Motivation ist somit auch zukunftsgerichtete Emotionalität. Dieser Dreiklang können ein grundlegendes Verständnis für das menschliche Handelnn sein.
Abbild 4: Dreiklang zwischen Bedürfnisse, Emotionen und Motivation
Fazit:
- Motivation gehört zur psychischen Grundausstattung des Menschen
- Motivation ist eine zukunftsgerichtete Emotionalität
- Motivation kann mit ganz verschiedenen Gefühlen oder Absichten verknüpft werden
- Es gibt keinen unmotivierten Menschen.
- Es gibt die Frage, ob uns seine Motivationsrichtung oder die Absichten der Motivationen passen.
Die Eigenart der menschlichen Motivation ist somit:
- Motivation des einzelnen Menschen ist im Prinzip auf die Teilhabe an der gesellschaftlichen Lebensgewinnung gerichtet (Mensch als soziales Wesen)
- Denken, Gefühle und Motivation sind gesellschaftlich / kulturell geprägt oder vermittelt, in ihren Ausprägungen individuell und subjektiv
- Bedürfnisse sind die inhaltliche Orientierungsfunktion der Motivation und des Handelns
Konsequenzen für die Führungspraxis:
- Durch Zwang kann vorübergehend eine Verhaltensrichtung beeinflusst werden.
- Zwang ist eine sehr aufwendige Form der Motivation und auf Dauer mit hohen körperlichen und psychischen Folgen, weil sie emotional nicht positiv hinterlegt ist.
- Auf Dauer muss eine positive emotionale Befindlichkeit entstehen, sonst kann die Motivationsrichtung nicht aufrecht erhalten werden.
- Das Erkennen von individuellen Bedürfnissen, ist ein Weg der inhaltlichen Verständigung über die Motivation
- Führungskraft kann Rahmenbedingungen für die Motivation schaffen und durch eigenes Verhalten die Motivationsrichtung beeinflussen.
- Dazu muss die Führungskraft die Bedürfnisse der Mitarbeiter kennen, um einen Ansatzpunkt zu haben, ob sich die Motivation des Mitarbeiters mit den Führungszielen vereinbaren lassen
- Sie muss lernen, Gefühle als Botschafter von Bedürfnissen (erkundende dialogische Grundhaltung) zu erkennen
- Das Aktive Zuhören kann dabei helfen, um das Gemeinte, aber nicht Gesagte zu hören
- Führungsziele sind klar und kommuniziert und Bedürfnisse der Führungskraft gelten genauso wie die des Mitarbeiters (Mix von Pacing and Leading)
- Klar sein sollte auch, was ist aus Sicht der Führungskraft verhandelbar und was nicht!
- Menschen haben nicht unbedingt gelernt, auf ihre Bedürfnisse zu achten und kommen ggf. mit ihren eigenen Gefühlen nicht klar
- Sie haben ggf. nicht gelernt, ihre Bedürfnisse so zu kommunizieren, das jemand anders sie versteht und akzeptiert
- Sie haben ggf. nicht gelernt, Wege der Bedürfniserfüllung so zu verhandeln, das alle damit leben können