Spiegelneuronen sind u.a. für das Verständnis von Handlungen verantwortlich und werden auch dann aktiv, wenn sie eine Handlung nicht selbst durchführen, sondern nur beobachten.

Spiegelneuronen sind, wie alle anderen Nervenzellen auch, erregbar und können diese Erregung an andere Nervenzellen weitergeben. Das geschieht mit Hilfe von elektrischen Impulsen. Sie „feuern“ bis zu mehrere Hundert Mal pro Sekunde. Bei der Wiederholung eines Reizes reduzieren Gehirnzellen normaler Weise ihre Aktivitäten. Nicht so bei den Spiegelneuronen, wie in einer Studie, die kürzlich im Fachjournal Nature Communications erschien, nachzulesen ist. Die Studie zeigt, dass bei rund zwei Drittel der Spiegelneuronen auch bei mehrmaliger Reizwiederholung keine Aktivitätsreduzierung festzustellen ist. Diese Ergebnisse machen es nun notwendig bereits durchgeführte Neuro-Imaging-Studien neu zu interpretieren.
Dieser Befund hat aus meiner Sicht weitreichende Folgen was das Erlernen und Reaktivieren von emotionalen Kompetenzen wie Empathie, Intuition und weitere emotionale Kompetenzen angeht, die mit den Spiegelneuronen im Zusammenhang stehen. Eine mögliche Annahme ist, dass zum Erlernen und Wiedererlangen emotionaler Intelligenzien schon eine Umgebung ausreicht, in der Gruppen oder Menschen Empathie nachhaltig und nicht nur sporadisch vorleben und dass das Lernpotential hier nicht durch normale Ermüdungserscheinungen der Neuronen begrenzt ist.
Eine andere entscheidende Hpyothese ist, dass das Funktionsprinzip des Reiz-Reaktionsverhältnisses auf der Ebene der Einzelneuronen, auf komplexe Strukturen der Spiegelneuronen offensichtlich nicht mehr zutrifft. Damit muss es im Gehirn einen bedeutsamen Umschlag von der Quantität in die Qualität geben, sodass die Gehirnforschung neue Grundbegriffe braucht, um die psychische Widerspiegelungsfähigkeit der Spiegelneuronen zu verstehen.
Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Auch wenn ich mich bereits intensiv mit dem Thema Spiegelneuronen beschäftigt habe, war mir dieser Aspekt neu. Ich frage mich bei allen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen immer, wie ich dieses Wissen nun in einem Alltag umsetzen kann.
Aus diesem Beitrag nehme ich mit, dass es offensichtlich einen kaum nachlassenden Lerneffekt durch Beobachtungen gibt. Für mich nur noch mal eine Bekräftigung, dass man sich sehr bewusst damit auseinandersetzen sollte, mit wem man seine Zeit verbringt, wie sich diese Personen verhalten und wie sie denken, da man mit der Zeit dazu übergehen wird, die Denk- und Verhaltensmuster dieser Personen zu übernehmen.
Sehr geehrter Herr Düllings,
vielen Dank für Ihren schönen Beitrag und Ihre spannende Frage, wie Sie das Wissen über die Bedeutung der Empathieneuronen für das Lernen im Alltag nutzen können?
Hier meine Vorschläge:
Politiker, Führungskräfte Lehrer, Eltern und alle Lehrenden haben eine ganz bedeutende Vorbildfunktion, wenn sie von Menschen verlangen, sich zu verändern oder etwas Neues zu lernen. Wenn sie selber lernen und das tun, was sie von anderen verlangen, also authentisch sind, dann können sie mit diesem Sozialverhalten die Emotionalität von Lernenprozessen enorm aufladen und damit die Nachhaltigkeit des Lernens enorm fördern.
Unser Gehirn lernt besonders gut und nachhaltig in sozial intakten Gruppen- und Sozialbeziehungen, weil die Evolution (Naturgeschichte des Psychischen, insbesondere im Tier-Mensch-Übergangsfeld) die zweite Evolution des Gehirns im Rahmen komplexer Sozialverbände entwickelt hat, insbsondere das Bewußtsein und komplexes Sozialverhalten.
Wenn ich von anderen verlange etwas zu lernen, muss ich neben der Authentizität (erster Punkt) anderen Menschen in ihren Stärken anerkennen und ihnen Lernen zutrauen (ressourcenorientiertes Feed-Back).
Durch diese drei Schritte wird der Zusammenhang von Empathie und Lernen in der Alltagspraxis vielleicht für Sie deutlicher.
Es grüßt Sie ganz herzlich
Peter Pächnatz
Völlig richtig, dass Spiegelneuronen eine wissenschaftliche Grundlage für „Geh mit gutem Beispiel voran und andere werden Dir folgen“ bietet.
Es ist nur so, dass gerade bei Spiegelneuronen vieles noch unerforscht ist und noch nicht alle Auswirkungen auf unseren Alltag bekannt sind. Deswegen finde ich bei neuen Forschungsergebnissen immer spannend, welche kausalen Zusammenhänge damit jetzt eigentlich tatsächlich bewiesen sind.
Viele, die über Spiegelneuronen schreiben, sehen das nämlich nicht so eng und neigen dazu, den Spiegelneuronen vieles anzudichten, was bisher nicht bewiesen, sondern lediglich eine denkbare Erklärung ist.
Lieber Herr Düllings,
ss gibt den weit verbreiteten Irrtum, dass Menschen wie Makakkenaffen Spiegelneuronen haben und diese die Empathie des Menschen steuern.Die Menschen haben zwar auch Spiegelneuronen zur Bewegungskoordination im Unterschied zu den Makakkenaffen haben wir aber auch Empathieneuronen, die eng mit dem Bindungssystem und der Fähigkeit des Menschen zusammenhängen, Gefühle, Gedanken und Absichten eines Mitmenschen zu erkennen. Dieses Empathiesystem haben wir als Gattung Mensch offensichtlich im Tier-Mensch-Übergangsfeld entwickelt, wo die Sozialkoordination in komplexen sozialen Gruppen ein spezifischen Selektionsvorteil für die Hominiden (Vormenschen; Bindungsglied zwischen Pongiden und Homus sapiens) bildete (ca. 2. Mio Jahre lang).
Das menschliche Empathiesystem umfasst dabei die unteren und mesolimbischen Zentren und vor allem den orbitofrontalen, anterioren cingulären und insulären Cortex für die Wahrnehmung des Schmerzes bei anderen als auch den Scheitel und Schläfenlappen zum Erkennen von Mimik und Gebärden.
Die bei Makakkenaffen entdeckten und dort genauer untersuchten Spiegelneuronen durch die italienischen Forscher Rizzolatti und Craighero (2004) haben nichts mit der Empathie oder Imitation zu tun, weil Makakkenaffen weder das eine noch das andere zeigen. Außerdem liegen die Spiegelneuronen der Makakkenaffen nicht in einer limbischen, sondern in prämotorischen Regionen, sind somit für die Raum- und Bewegungskoordination zuständig. Quelle: Prof. Gehard Roth, Bildung braucht Persönlichkeit, Seite 57 und 58.
Ich teile Ihre Meinung, dass viele den Spiegelneuronen etwas andichten, was so nicht haltbar ist. Das liegt daran, dass viele keine verbindenden psychologischen und verhaltenstheoretischen Theorien haben, mit der sie die neurologischen Befunde für den Alltag interpretieren können.
Ich kann meinen Lesern die Möglichkeit anbieten, über eine wissenschaftlich abgesicherte Theorie der Naturgeschichtes des Psychischen zu berichten, die sich natürlicherweise in der Funktions- und Arbeitsweise des Gehirns niederschlagen muss, denn jedes Organ ist immer ein Produkt der Evolutionsgeschichte. Beim Gehirn kommt noch hinzu, dass es zugleich ein Produkt der Naturgeschichte des Psychischen ist und deswegen kann ich – hoffentlich überzeugend – die Ergebnisse der Neurowissenschaft mit einer fundierten psychologischen Arbeit verbinden.
Mit den besten Grüßen
Peter Pächnatz