Vom Wissen und Können und wo die Lernpsychologie versagt

Der Zusammenhang zwischen Wissen und Können ist für die praktische Lernwelt von zentraler Bedeutung. Wäre er geklärt, so könnten wir unser Können durch bewußte Reflektion kontinuierlich verbessern. Oder wir könnten erkennen, wie lange es dauert, bis wir vom Wissen zum Können gelangen. Junge Menschen könnten systematisch von den Älteren lernen und umge-kehrt. Die Neurowissenschaft kann diese Lücke auf Dauer schließen. Erste Ansätze werden hier und im nächsten Newsletter vorgestellt.
Vieles was wir wissen, können wir nicht und vieles was wir können, wissen wir nicht. So kann ein Kind die Muttersprache korrekt erlernen ohne eine grammatikalische Regel zu wissen. Viele wissen über Bücher, wie gute Führung geht. Es ist nicht auto-matisch damit gewährleistet, dass Leser dieser Bücher gute Führungskräfte sind.
Der Zusammenhang von Wissen und Können ist alles andere als banal. Manfred Spitzer hat sich in seinem Buch „Lernen“ das Können als Fähigkeit der neuronalen Netze bezeichnet, über Regeln, Beispiele und kontinuierliches Üben, ihre Synapsengewichte einzustellen. Das Können ist somit eine neuronale und biochemische Repräsentanz im Gehirn, die assoziativ, also verknüpfend in komplizierten Netzwerken jederzeit abrufbar ist. Das Können steht uns nicht in vollem Umfang bewußt zur Verfügung. Wissen ist also nicht Können, sondern nur ein Teil davon.

Prof. Hüther beschreibt in seinem neuen Buch „Etwas mehr Hirn bitte“, dass Wissen nicht die entscheidende Voraussetzung ist, etwas zu verstehen und zu lernen, sondern die Gesamtheit neuronaler Repräsentanzen. Das Erlernen von Neuem verläuft dabei über zwei Schritte. Voraussetzungen für beide Schritte sind Aufmerksamkeit und Konzentration.

Im ersten Schritt überprüft unser Gehirn, wo das Neue an Bestehendes anknüpfen kann. Ist das der Fall, kann es im Gehirn verankert werden. Wenn das Neue keine spezifische Anknüpf-ung hat, dann geht es zunächst darum, heraus-zufinden, wie plausibel die neue Erkenntnis ist. Das macht das Gehirn dadurch, dass es insgesamt prüft, wie gut es mit dem zusammenpasst, was an Wissen, Er-fahrungen, Vorstellungen und Überzeugungen vorhanden und verankert ist. Und immer dann, wenn es nicht so recht passt, zu dem was wir insgesamt repräsentiert haben, entsteht das Gefühl, das irgendetwas nicht stimmt an dieser neuen Erkenntnis.

Wir lernen Neues leichter, wenn es mit der Gesamtheit unserer Erfahrungen, unseren Werten und Überzeugungen übereinstimmt. Dieses wird über einen emotionalen Anbah-nungsprozess entschieden. Neues zu lernen heißt auch, dass es zunächst sehr mühsam sein kann.

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