Die Annahme, dass digitale soziale Netzwerke oder der intensive Umgang mit digitalen Medien, die soziale Kompetenz herausbildet und fördert, ist durch viele wissenschaftliche Befunde widerlegt. Hier nur eine kleine Auswahl.
Zunächst stelle ich wissenschaftliche Untersuchungen dar, die auf die soziale Verhaltensweisen hinweisen und dann die Studien, die sich auf die Veränderungen im Gehirn beziehen. Sie werden sehen, wie eng die Ergebnisse zusammenhängen.
Studien über Auswirkungen auf die sozialen Verhaltensweisen durch die Netzwerke
Eine Studie von Wissenschaftlern der kalifornischen Universität Standfort aus dem Jahr 2012, die von Roy Pea geleitet wurde, zeigt deutlich, dass soziale Netzwerke keine soziale Kompetenz herausbilden.
- Die Gruppe untersuchte 3461 amerikanische Mädchen im Alter von acht bis zwölf Jahren, wie sich die Nutzen der sozialen Netzwerke Facebook auf die Entwicklung der Werte und Emotionen auswirkt. Die tägliche Mediennutzungszeit betrug bei den Mädchen dieser Untersuchungsgruppe 6,9 Stunden.
Die Studie zeigt, dass der häufige Konsum digitaler Medien einen ungünstigen Einfluss auf die erfolgreiche soziale Beziehung hat. - Je mehr direkte face-to-face Kontakte ein Mädchen hat, desto weniger unerwünschte Kontakte hatte sie bei Facebook.
- Je mehr ein Mädchen online im eigenen Zimmer war, umso weniger schläft es.
- Nur 10% der Mädchen gaben an, dass ihnen die Kontakte der sozialen Netzwerke Freude machen.
Weitere Studien vom MIT, Sherry Turkle von 2011, Alone together, bestätigen die soziale Isolation der Menschen durch soziale Netzwerke, weil die Menschen die überwiegend virtuelle Kontakte pflegen, nicht wissen, wie echte Kontakte gehen.
Wissenschaftliche Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen gehirnphysiologische Grösse und sozialem Verhalten
Folgende Erkenntnisse werden als wissenschaftlich gesichert vorausgesetzt, um die u.g. Ergebnisse fundiert zu verstehen:
a) ein intensive tägliche Nutzung multimediale Welten hat durch die höhere Neuroplastitzität der Gehirne von Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen eine gravierende Auswirkung auf die Gehirnentwicklung als bei Erwachsenen (24+)
b) Unser Gehirn ist das, wie wir es nutzen. D.h. die Gehirnareale wachsen und verdichten sich, die häufig genutzt werden. Die Gehirnareale die wenig genutzt werden, verkümmern oder werden gänzlich abgebaut.
c) eines für den sozialen Kontakt und die soziale Existenz zentrales Hirnareal ist der präfontale Cortex, der u.a. Sitz unseres sozialen Gewissens ist.
Folgende wissenschaftliche Ergebnisse belegen den engen Zusammenhang zwischen sozialer Kompetenz, die in realen Gruppen erworben und angewendet wird und der Grösse und Dichte dieses Gehirnareals:
- Die Grösse und die Dichte des präfontalen Cortex hängt eindeutig mit der Grösse und der Intensität (Freunde) meiner realen Kontakte ab (sog. Dunbar-Zahl) (Stiller und Dunbar 2007)
- Die Grösse des Mandelkerns steht im engen Zusammenhang mit dem sozialen Denken (Bickart 2011)
- Der weitere vorne mittig gelegene Teil des präfontalen Cortex steht in engem Zusammenhang mit Empathie für andere Menschen und Grösse des realen sozialen Netzwerks (Lewis et al. 2011)
Das Volumen sozialer Gehirnstrukturen steht also auch in direktem Bezug zur kognitiven sozialen Kompetenz, die sich nur in direkten sozialen Kontakten von Gruppen und nicht über virtuelle soziale Netzwerke herausbilden kann. Der Grund ist relativ einfach: Virtuelle Beziehungen reichen bei weitem nicht in ihrer realen Interaktion an den realen Beziehungen heran. Die damit einhergehenden Gehirnaktivitäten sind in virtuellen Beziehungen völlig andere als in realen Beziehungen.
Eine dauerhafte oder häufige Aktivität des Gehirns geht immer einher mit Veränderungen in der biochemischen, endogenetischen, neuronalen Prozessen und wie wir seit dieser Woche wissen, auch immer mit Schwingungen in den komplexen neuronalen Netzwerken, die wiederum biochemische Prozesse und Veränderungen auslösen.
Ja, leider sind die „sozialen Netzwerke“ alles andere als sozial. Die Menscheit lebt immer isolierter, was sich auf alle Beziehungen im Altag auswirkt.